Münchens Sterneküchen sind genauso bunt wie die Viertel selbst. Wir treffen die Spitzenköch*innen dort, wo sie selbst gern Mittag machen. Mit Nathalie Leblond geht es zum Café Nymphenburg Sekt auf eine Bolognese – und danach begleiten wir sie in die Küche des Gourmetrestaurants Les Deux.
Schon seit zehn Jahren behauptet sich das Les Deux in der Münchner Altstadt – oben Sternerestaurant, unten Brasserie, man kann Menü oder á la carte essen, die Küche ist französisch inspiriert. Küchenchefin für beide Restaurants ist die 31-jährige Nathalie Leblond. Angefangen hat alles mit einer Doppelspitze, mittlerweile macht sie den Job alleine – mit Unterstützung eines jungen Teams, das auch teilweise eng miteinander befreundet ist.
Wir treffen die Sterneköchin zum Mittagessen am Viktualienmarkt. Dieser ist so vielfältig, dass er selbst für mich als Einheimische immer noch etwas Neues bietet. Und so freue ich mich, als Leblond das Café Nymphenburg Sekt vorschlägt. Hunderte Male bin ich schon an dem Standl vorbei gegangen, aber gegessen habe ich dort noch nie. Und ich bin überrascht: Man sitzt hier nicht nur wunderbar mitten im Getümmel und kann gut beobachten, auch der Service ist wahnsinnig nett und die Gerichte allesamt lecker.
Wir setzen uns auf die sonnige Terrasse und die Köchin erzählt: „Wenn ich frei habe, komme ich gerne in dieses Café. Nicht nur wegen der guten Weinauswahl, die vor allem mein Mann als Sommelier sehr schätzt, sondern auch wegen der Bolognese.“ Die wird hier etwas anders zubereitet als die klassisch-italienische Variante – nämlich mit Sahne, schmeckt aber auch fantastisch. Außerdem bestellen wir Schlutzkrapfen mit Pfifferlingen und die hausgemachten Kalbfleischpflanzerl. Mittags gibt es wechselnde Gerichte, immer auf der Karte sind die leckeren Kuchen – und natürlich die berühmte Bolo.
Pasta steht bei Nathalie Leblond auch zuhause hoch im Kurs, wenn die Sterneköchin an ihrem freien Sonntag kocht. Sechs Tage die Woche arbeitet sie im Restaurant, aber gezweifelt hat sie nie an diesem Job: „Ich stand schon mit drei Jahren in der Küche und hab zu meiner Mama gesagt, ich möchte Köchin werden. Es ist keine leichte Arbeit, aber ich liebe sie.“ Dass Leblond dann in der Sternegastronomie gelandet ist, war eher ein Zufall. Genauso gerne kocht sie den Mittagsservice in der Brasserie im Les Deux, erzählt sie, dort kann man auch mal ganz spontan ein Gericht ausprobieren – wie Hummertoast, Spaghetti-Eis oder Flammkuchen.
Gelernt hat Leblond in einem gutbürgerlichen Wirtshaus in ihrer Heimatstadt Nürnberg. „Nach der Ausbildung wollte ich eigentlich im Winzerhof bleiben, ich bin ein sehr loyaler Mensch, aber mein Chef hat mich nicht übernommen, weil er wollte, dass ich weiterkomme. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar!“, erzählt sie. Danach ging es zum Gourmet- und Fernsehkoch Dirk Luther, der im Zwei-Sterne-Restaurant „Meierei“ in Glücksburg an der Ostsee arbeitet. Dort kochte Leblond sich durch alle Posten, kam zum ersten Mal mit französischer Küche in Berührung und lernte auch ihren Mann kennen.
„Ich stand schon mit drei Jahren in der Küche und hab zu meiner Mama gesagt, ich möchte Köchin werden.“
Nach fünf Jahren zogen die beiden wieder in den Süden: Er fing im Les Deux an, sie schickte Bewerbungen in alle Sternerestaurants Münchens und entschied sich schließlich für das Atelier im Hotel Bayerischer Hof, damals noch mit Jan Hartwig als Küchenchef. Leblond fing als Chef de Partie an und wurde schließlich Sous Chefin des Drei-Sterne-Restaurants. Als dann das Angebot vom Les Deux kam, wollte sie eigentlich wieder bleiben, aber die Stelle als Küchenchefin reizte sie auch: „Es war gut, dass wir im Les Deux erst einmal mit einer Doppelspitze angefangen haben. Das Tolle an diesem Beruf ist ja, man lernt nie aus, jeder Tag ist neu, jeder Gast ist anders.“
Ein altes Klischee hält sich allerdings bis heute in der Küche: Es gibt nur sehr wenige Frauen. Mit Sigi Schelling vom Werneckhof ist Nathalie Leblond momentan die einzige Sterneköchin in München. „Ich achte sehr darauf, dass wir mehr Frauen werden“, erzählt sie, „aber es bewerben sich nur wenige. Das liegt zum einen vielleicht daran, dass es ein harter Job ist – man muss Knochen hacken, schwere Töpfe heben, hat Verbrennungen an den Händen und schläft wenig. Vor allem aber braucht es noch viel mehr Vorbilder in dieser Branche!“
Leblond beschreibt sich selbst als einen Menschen, der viele Gegensätze in sich trägt: „Ich bin auf der einen Seite sehr laut, dynamisch, kann aber auch leise und schüchtern sein, wenn ich Menschen zum ersten Mal begegne.“ Früher war sie einmal Ballerina, heute findet man Videos auf Instagram, in denen sie ein ganzes Lamm zerlegt. Während unseres Gesprächs ist die Sterneköchin ruhig und zurückhaltend, aber in der Küche geht es auch einmal streng zu, wenn es sein muss. Genauso wichtig ist ihr aber auch, dass alle miteinander lachen können.
Nun bin ich ganz gespannt auf die Küche des Les Deux, auf die Atmosphäre und Leblonds Team. Wir spazieren über den Viktualienmarkt in die Theatinerstraße, das Sternerestaurant liegt im Herzen der Altstadt und doch etwas versteckt im Schäfflerhof gegenüber der Schumann's Tagesbar. Während die Brasserie mit großer Terrasse im Erdgeschoss zu französischen Klassikern, Cocktails und Lunch einlädt, empfängt das Gourmetrestaurant im ersten Stock seine Gäste zum Abendmenü. Das Besondere: Der Raum ist dreieckig, dank der bodentiefen Fenster hat man einen tollen Blick auf das Innenstadt-Treiben.
„Mir ist es wichtig, dass Sterneküche zugänglich ist. Der Gast soll nicht viel nachdenken müssen, sondern sich einfach wohlfühlen.“
Hinter dem Les Deux steht die Familie Kieffer, in diesem Jahr feiert das Restaurant schon sein Zehnjähriges. Aufgrund der Lage kommen viele Gäste zum Business Lunch – das Publikum ist eher älter und schick. In der Küche läuft allerdings oftmals lauter Oldschool-Hip Hop, das komplette Team ist um die Dreißig, die Chef-Patissiere eine von Leblonds besten Freundinnen, der Sous Chef ein enger Freund. Mit beiden hat sie zuvor auch schon im Atelier zusammengearbeitet. Wer mit Freundin*innen arbeitet, sollte vorher genau abstecken, was einem wichtig ist. Offene Kommunikation ist da sehr wichtig, weiß Leblond.
Eine Sache ist ihr geblieben vom Ballett: der Ehrgeiz und der Perfektionismus. Den erwartet sie nicht nur von sich selbst, sondern auch von ihrem Team. Gleichzeitig musste sie mit der Stelle als Küchenchefin auch ein bisschen was davon ablegen, denn wenn 80 Gäste draußen sitzen, kann man nicht jeden Schnittlauchhalm umdrehen. Leblond fängt an den Abendservice vorzubereiten, sie macht eine Kartoffelrolle gefüllt mit Jakobsmuscheltartar und Herzmuscheln: „Ich liebe Fisch, Säure und Nüsse. Meine Küche ist klassisch, aber immer mit einem Twist. Mir ist es wichtig, dass Sterneküche zugänglich ist. Der Gast soll nicht viel nachdenken müssen, sondern sich einfach wohlfühlen.“